Tag der Architektur 2021/ Juliusstraße

Erfinderische Expeditionen zur Wohnbebauung an der Juliusstraße mit dem Florapark.

Projektzeitraum Tag der Architektur/26.Juni 2021

Stiftungsbeteiligung Hille von Seggern, Thomas Gräbel in Zusammenarbeit mit rabe landschaften

Film zum Projekt von Robert Paschmann
Erläuterung zum Projekt 1990

Julius Straße: Wohnen und Florapark, Schanzenviertel Hamburg
Wettbewerbsgewinn 1990
Büro: Ohrt-von Seggern-Partner, Hamburg
Team: Timm Ohrt, Hille von Seggern, Roswitha Düsterhöft
Realisierungsplanung Park: EGL, Hamburg in Zusammenarbeit mit der Florainitiative.
Bauherr: GWG mbH Hamburg

In zwei 5 – 6 geschossigen Kopfbauten entstanden 42 Sozialbauwohnungen. Die Gebäude ergänzen die vorhandene Blockrandbebauung und bilden einen Eingang in den gleichzeitig im Wettbewerb vorgeschlagenen öffentlichen Park: den Florapark.

Die Wohnungen sind vom Büro  Ohrt-von Seggern Partner realisiert worden. Der im Wettbewerb vorgeschlagene Park wurde nach vielen Hindernissen im Auftrag des Bezirksamtes Altona vom Landschaftsarchitekturbüro EGL mit einem Beteiligungsprozess mit der Flora Initiative gebaut.

30 Jahre nach dem Wettbewerbsgewinn lud die Hamburgische Architektenkammer und die Hamburgische Ingenieurkammer-Bau zu einer Führung  zum Projekt ein. Die inzwischen von Timm Ohr t und Hille von Seggern gegründete Stiftung übernahm es, ein Konzept für die Führung, einen Film (pdf) zum Projekt als Ankündigung und die Führung zu übernehmen.

Für die Führung gab es für die Teilnehmer*innen eine kleine Aufgabe, die sie anregen sollte, das Geschehen im Rahmen des Wohnungsbaus und des Parks selber möglichst unbefangen wahrzunehmen, den Blick zu weiten. Die Aufgabe machte sie zu Forschenden in einem fiktiven Forschungsprojekt, das die Gesamtsituation von Blockrandbebauung mit der Juliusstraßenbebauung, dem Park und der alten Flora als spannende urbane Situation erforschte.

Vorher an einem warmen Abend Anfang Juni während eines Besuches war es voll im Park:  vor allem junge Leute, gemischte Gruppen, junge Männer, Skater, ein junger Mann (22) aus Istanbul studiert in Würzburg. Freunde haben ihm gesagt: Du musst in den Florapark! Und sie hatten Recht,  es ist so viel los, so unterschiedliche Gruppen – es waren sogar Nazis hier, meinte er, aber sie gingen in der Unterschiedlichkeit unter, du brauchst hier keine Angst zu haben.

Und dann die Ruhe, die Rob Paschmann im Film einfing.

Und von den Architekturbesucher*innen am Tag der Architektur: Park als Oase im Häuserdschungel, soviel Grün, so schöne Bäume, Treffpunkt für junge Leute und Spielplatz für Familien, Treffpunkt des Viertels, abseits der Partymeile. Spannende Lage zwischen Kiez und aktuellen Brennpunkten (?). Die Architektur: ansprechend aber leider nicht gepflegt. Zwei Bewohner*innen voller Lob für die Wohnungen, gar Dank und Begeisterung für die Architekten, weil die Wohnung so besonders ist und sie die größere Wohnung und ihr  hilfsbedürftiger Sohn die kleinere direkt daneben bewohnt. Es ist immer schlimmer hier geworden mit den Drogen, mit Lärm, Dreck. Stört nicht alle. Aber auch: Es ist sehr solidarisch hier im Viertel sagt ein Mann der mit anderen zusammen einen Kindergeburtstag im Park feiert. Solange ich jung bin bleibe ich hier. Freundlich mahnt ein jüngerer Mann aus dem einen Juliusstraßenhäuser, uns nicht auf die von Graffitti gerade mit unglaublichem Getöse  gereinigten  Mäuerchen zu setzen: giftiges Zeug! Nein, von Gemeinschaftsräumen im Haus weiß ich nichts , sagt eine junge Frau, die in dem Haus wohnt. (was ist aus den im Wettbewerb geplanten wohl geworden?) Die Beziehungen der Häuser mit ihren Bewohner*innen und der Eigentümerin, zu den hausbezogenen Freiräumen und dem öffentlichen Raum sind nicht erkennbar gelebt, eher im lieblos geschnittenen Gestrüpp zu lesen.

Erkenntnisse, schöne Erfahrungen, spannende Einblicke in eine extrem vielfältige spannende urbane Situation! So lautete die fiktive Forschungseinladung. Eine reale Forschung würde sich lohnen. Und: Wie andernorts auch wäre es nach 30 Jahren gut, eine grundlegende sozialräumliche Erneuerung der Bebauung und der wohnungsbezogenen Freiräume zu machen.   Für die Verwandlung von Architekturliebhaber*innen und Beurteiler*innen zu phantasievollen Forschenden war eine halbe Stunde Expedition zu kurz – aber als Grundlage für ein anregendes Gespräch gut.

 

 
©AFK
©Robert Paschmann / AFK